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Hereditäre Spastische Spinalparalysen

Definition der Erkrankung

Hereditäre Spastische Spinalparalysen (HSP) umfassen eine Gruppe seltener Erkrankungen, denen die Leitsymptome einer langsam zunehmenden Spastik und Schwäche der Beine gemeinsam ist. Zusätzlich können vielfältige Zusatzsymptome wie Koordinationsstörungen (Ataxie), Störungen von Denken oder Gedächtnis, Sprech- und Schluckstörungen, Sehstörungen, Blasen- oder Mastdarmstörungen u.v.m. auftreten. Die Ursachen der HSP sind genetisch; die bekannten Gendefekte können > 100 verschiedene Gene betreffen. Eine HSP kann in jedem Alter auftreten, so sind Erkrankungsmanifestationen im frühsten Kindesalter, aber auch im hohen Erwachsenenalter beschrieben worden. 

Ambulante und stationäre Behandlungsoptionen

Gerne können Sie sich in unserer Ambulanz für Hereditäre Spastische Spinalparalysen vorstellen. Wenn dies nicht ausreicht, etwa weil umfangreiche Diagnostik oder eine oder eine längere Beobachtungszeit für eine medikamentöse Einstellung notwendig sind, kann auch ein stationärer Aufenthalt auf unserer Station für Neurodegenerative Erkrankungen Neuro 6.

Die Leitsymptome der HSP – eine zunehmende Schwäche und Spastik der Beine – gehen auf eine Fehlfunktion der langen motorischen Rückenmarksbahn (Pyramidenbahn) zurück, über die Bewegungsimpulse vom Gehirn an die Beine übermittelt werden. Zunächst werden sog. symptomatische Ursachen dieser Fehlfunktionen ausgeschlossen, so z.B. Entzündungen, Stoffwechselstörungen oder Raumforderungen wie Bandscheibenvorfälle oder Tumore. Außerdem können Zusatzsymptome der Erkrankung gezielt untersucht werden. 

Folgende Untersuchungen können unter anderem dazu hilfreich sein:  

  • Kernspintomographie von Gehirn und Rückenmark, ev. mit Gabe von Kontrastmittel
  • Nervenwasserungersuchung: Diese dient v.a. dem Ausschluss von Entzündungen des Nervensystems. 
  • Neurophysiologische Untersuchungen: Mit diesen kann die Funktionsfähigkeit der zentralen und peripheren Leitungsbahnen sowie die Übertragung von Impulsen von den Nerven auf die Muskulatur untersucht werden. 
  • Blutuntersuchungen: Hier prüfen wir meist das Vorliegen von seltenen Stoffwechselstörungen sowie die wichtigsten Vitamine, die für die Funktion der Nerven von Bedeutung sind. 
  • Augenärztliche Untersuchung: Die Beurteilung des Augenhintergrundes sowie die Messung der Dicke der retinalen Nervenzellschicht mittels einer Optischen Coherenztomographie (OCT) kann für die Einordnung einer HSP wichtig sein.

Genetische Untersuchung

Entscheidend für die Diagnosestellung einer HSP sind genetische Untersuchungen. Diese stellen die einzige Möglichkeit dar, die Diagnose einer HSP zweifelsfrei zu sichern und ermöglichen in einigen Fällen eine gezieltere Behandlung der Erkrankung. Auch für die Beratung der Erblichkeit der Erkrankung ist eine genetische Diagnosestellung von entscheidender Bedeutung. 

Mit modernen diagnostischen Verfahren wie einer Exom- oder Genomsequenzierung lässt sich die Diagnose einer HSP derzeit in rund zwei Drittel der Fälle sichern. Für die genetische Untersuchung benötigen wir zumeist nur eine Blutprobe; seltener sind weiterführende Untersuchungen z.B. aus einer Hautprobe notwendig. Dies besprechen wir mit Ihnen im Rahmen Ihres Ambulanzbesuches. 

Da auch die Interpretation genetischer Befunde häufig Spezialwissen erfordert, bieten wir gerne auch einen Termin zur Befundbesprechung in unserer HSP-Sprechstunde an. 

In einigen Fällen ist zur besseren Therapieplanung eine Instrumenten-gestützte Ganganalyse hilfreich. Hierbei wird die Gangfunktion einschließlich genauer Bestimmung der Gelenkwinkelverläufe von Hüfte-, Knie und Sprunggelenk sowie entsprechende Gelengbelastungen und -Leistungen beim Gehen dreidimensional erfasst. Darüber hinaus wird über dynamische Elektromyographie die Aktivität der oberflächlich liegenden Muskulatur beim Gehen bestimmt. Die Methode eignet sich damit zur detaillierten Diagnostik der Gangfunktion, die durch typische bildgebende Verfahren wie MRT und CT nicht zugänglich ist, da diese allein die Anatomie, nicht jedoch die Funktion bzw. Fehlfunktion darstellen. Die instrumentelle 3D-Ganganalyse ermöglicht deshalb eine gezielte Planung und Überprüfung therapeutischer Maßnahmen, die auf eine Wiederherstellung, Verbesserung oder den Erhalt der Gangfunktion abzielen.

Zur Durchführung der instrumentellen 3D-Ganganalyse arbeiten wir mit dem Heidelberger Bewegungslabor zusammen (Prof. Dr. Sebastian Wolf, das an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg in Schlierbach angesiedelt ist. 

 

Praktische Durchführung 

Zu Beginn wird ein Video aufgenommen, während Sie mehrfach über eine ca. 8 m lange Gehstrecke gehen. Dieses Video liefert einen allgemeinen Eindruck über das Gangbild. Im Anschluss daran werden kleine reflektierende Kugeln mit Kleberingen auf der Haut aufgeklebt. Hierzu müssen Sie weitgehend entkleidet sein. Entsprechend sollte kurze Kleidung wie Bikini oder Badehose (kein Badeanzug), Unterwäsche oder Hotpants und kurzes Trägertop zur Untersuchung mitgebracht werden. Sollten Sie auf Gehhilfen wie Stützen oder einen Rollator angewiesen sein, sind diese bitte zur Untersuchung mitzubringen, wie auch Orthesen, Schuheinlagen oder andere Hilfsmittel, die regelmäßig verwendet werden.

Zur Bestimmung der Gehgeschwindigkeit, Schrittlänge und Schrittfrequenz (Raum-Zeit-Parameter) sowie der Gelenkwinkelverläufe (Kinematik) werden nach einem definierten Schema an verschiedenen Skelettpunkten der interessierenden Körpersegmente die genannten reflektierende Kugeln aufgeklebt. Sie werden dann angewiesen, auf einer definierten Gangstrecke mehrfach in selbst gewählter Gehgeschwindigkeit hin- und herzugehen. Die Bewegung der Kugeln im Raum wird durch eine spezielles Kamerasystem mit zwölf Kameras beim Gehen erfasst und dreidimensional verrechnet. Über unauffällig im Boden integrierte Kraftmessplatten werden parallel zur Kinematik sog. Bodenreaktionskräfte bestimmt, die eine Berechnung der Gelenkmomente und Gelenkleistungen ermöglichen. Für die dynamische Elektromyographie-Untersuchung werden dem Patienten zusätzlich Klebeelektroden auf die Haut über die interessierende Muskulatur geklebt und die Muskelaktivität über ein telemetrisches Verfahren beim Gehen aufgezeichnet. Eine ausführliche klinische Untersuchung mit Erhebung der Bewegungsausmaße der großen Gelenke der unteren Extremität sowie der Kraft und ggfs. der Tonus der Beinmuskulatur sowie die oben genannte ausführliche standardisierte Videodokumentation zur subjektiven Kontrolle komplettieren die Gesamtleistung.

Für viele der genetischen Unterformen der HSP stehen derzeit keine molekularen Therapieansätze zur Verfügung. Die Behandlung orientiert sich somit an den Symptomen der Erkrankung. 

Sport und Rehabilitative Therapien

Wesentlich ist körperliche Bewegung, Sport und eine regelmäßige, möglichst 2 mal wöchentliche Physiotherapie. Im Rahmen des Forschungsnetzwerkes TreatHSP haben wir mit dem Moove-Trainingsprogramm ein Physiotherapieprogramm speziell für die HSP entwickelt. Die Übungen in Moove sollen Ihnen dabei helfen, stärker und beweglicher zu werden und Ihre Sicherheit und Reaktionsfähigkeit im Alltag zu verbessern. 

Eine detaillierte Beschreibung des Programmes mit bebilderten und Video-Anleitungen aller Übungen finden Sie hier

Im Rahmen des Ambulanzbesuches können wir Sie gerne beraten, welche Form des Trainings für Sie am besten geeignet ist. 

 

Medikamentöse Therapien

Viele der Symptome einer HSP lassen sich medikamentös lindern. Wenn der erhöhte Muskeltonus (Spastik) zu Schmerzen, Verspannung, störenden Muskelzuckungen oder einer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit führt, können antispastische Medikamente eingesetzt werden. Diese können als Tabletten, in Form von Injektionen (Botulinumtoxin-Therapie) oder in seltenen Fällen über eine kontinuierliche Medikamentenpumpe direkt in den Nervenwasserraum im Bereich der Lendenwirbelsäule gegeben werden. 

Auch auf die Blasen- oder Mastdarmstörung kann durch Blasentraining, Ernährungsempfehlungen, Medikamente oder Botulinumtoxin-Injektionen in die Blase Einfluss genommen werden. 

In ähnlicher Weise gibt für viele der möglichen Begleitsymptome der HSP Behandlungsmöglichkeiten. Welche Kombination von Therapien für Sie sinnvoll ist, werden wir gemeinsam mit Ihnen besprechen. 

 

Operative Therapien

In seltenen Fällen sind operative Therapien, z.B. Sehnenverlängerungen oder eine Myofasziotomie (sog. Ulzibat-Methode) hilfreich. Diese sollten jedoch nur nach ausführlicher Beratung in einem interdisziplinären Team aus erfahrenen Orthopäden und Neurologen eingesetzt werden. Da es sich bei der HSP um ein progredientes, sich also im Zeitverlauf veränderndes Krankheitsbild handelt, sind die Auswirkungen einer Operation auf die Zukunft oft nur schwer abzuschätzen. 

 

Hilfsmittelversorgung

Der bewusste und gezielte Einsatz von Hilfsmitteln kann die Gangsicherheit, Mobilität und Bewegungsradius im Alltag verbessern und so die Lebensqualität steigern. Gerne beraten wir individuell, welche Hilfsmittel für Sie geeignet sind. Wir arbeiten in dieser Frage auch eng mit der Technischen Orthopädie des Zentrums für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie in Schlierbach zusammen. Häufig eingesetzte Hilfsmittel umfassen z.B.: 

  • Gehstock, Unterarmgehstützen, Nordic Walking Stöcke
  • Funktionelle Elektrostimulation (FES) zur dynamischen Unterstützung der Fußhebung beim Gehen
  • Angepasste Unterschenkelorthosen und Nachtlagerungsschienen
  • Gehwagen
  • Rollstuhl
Prof. Dr. med. Rebecca Schüle
Schwerpunkt

Leiterin der Sektion Neurodegeneration und Bewegungsstörungen, Parkinson, Seltene Neurogenetische Erkrankungen, Hereditäre Spastische Spinalparalysen (HSP)


Sektionssekretariat (ndeg)

Sekretäre/-innen

Studienkoordination

Sekretäre/-innen
  • Dr. Sabrina Stängle

    Koordinatorin

    Schwerpunkt

    Wissenschaftliche Projektkoordinatorin Sektion Neurodegeneration und Bewegungsstörungen


    06221 56-310618

  • Portrait von Perdita Beck
    Perdita Beck

    Study Nurse/Assistentin

    Schwerpunkt

    Studienkoordination und Projektmanagement Sektion Neurodegeneration und Bewegungsstörungen


    06221 56-38121
    06221 56-5117